„Am Ende bleibt die Verwirrung“ – Markus Pühringer

Markus Pühringer

Markus Pühringer, Vorstandsmitglied von Pax Christi Oberösterreich, hielt und hält einige Vorträge im Vorfeld der Volksbefragung in Pfarren [Übersicht]. In einem Gastbeitrag schildet er seine Eindrücke: 

Am 20. Jänner gibt’s erstmals in Österreich eine Volksbefragung. Das Volk scheint aber auch Tage vor der Befragung noch immer verwirrt zu sein.

Bei meinen Vorträgen zur Wehrpflicht, die ich in einigen Pfarren schon gehalten habe, wird diese Verwirrung spürbar. Die großen Parteien haben durch die Bank ihre Position schon mindestens einmal geändert. Waren vor ein paar Jahren noch ÖVP und FPÖ für ein Berufsheer und die SPÖ für die Wehrpflicht, so ist es jetzt genau umgekehrt. Das macht die Entscheidung nicht leichter.

Und weil es intellektuell so verwirrend ist, greifen viele Menschen auf ihre persönliche Erfahrung und auf ihre Emotion zurück: Die Männer, die ihren Grundwehrdienst in positiver Erinnerung haben, tendieren in aller Regel dazu, dass die Wehrpflicht bleiben soll. Umgekehrt sind jene, die ihre Zeit bei Heer oder Zivildienst abgesessen haben, zumeist dafür, dass dem verpflichtenden Dienst ein Ende bereitet werden soll. Frauen melden sich in den Diskussionen häufig zu Wort, wenn es um den Zivildienst geht: Weil die meisten mit den Zivildienern gute Erfahrungen gemacht haben, fürchten sie, dass soziale Errungenschaften gefährdet sein könnten, wenn der Zivildienst fällt. Außerdem ist ein zwangsweiser Dienst am Staat für viele schon gerechtfertigt, weil er als solidarischer Dienst wahrgenommen wird. Und da zählt es dann das intellektuelle Argument wenig, dass wir militärisch gar nicht mehr bedroht sind und es für den Zivildienst auch einen Ersatz geben würde. Mehr zählt da noch das Argument, dass man den eigenen Kindern oder Enkeln das Heer oder den Zivildienst ersparen könnte.

Die kritischen Geister in den Pfarren können sich schon auch vorstellen, dass das Heer überhaupt abgeschafft wird, weil es keine militärische Bedrohung mehr gibt. Aber diese Option steht ja nicht auf dem Stimmzettel der Volksbefragung. Diejenigen, die sich der christlichen Gewaltfreiheit verbunden fühlen, tendieren aber dann doch zur Abschaffung der Wehrpflicht, weil sie einen Fortschritt darin sehen, dass dann in Zukunft nicht mehr der Großteil der jungen Männer lernen muss, wie man Kriege führt, Waffen bedient und Gehorsam eingetrichtert bekommt. Das sei dann weniger schlimm als ein Berufsheer.

Am Ende bleibt die Verwirrung: Auch wenn man sich näher mit dem Thema auseinandersetzt, ist man zumeist nicht sehr viel klüger. Die Entscheidung wird dann vermutlich aus dem Bauch heraus getroffen.

Stimmen von Pax Christi zur Volksbefragung

Logo Pax Christi

Im Blog von Pax Christi sind Statements von Mitgliedern der ökumenischen Friedensbewegung zur Volksbefragung zu finden. Dabei wird deutlich, dass Menschen aus christlicher und friedensbewegter Motivation zu einer unterschiedlichen Einschätzungen für die Entscheidung am 20. Jänner kommen können.

Soll der Zivildienst die Wehrpflicht retten?

Kriegerdenkmal 1879/1905

Ein Beitrag von Severin Renoldner aus der Zeitschrift “Information-Diskussion 11/2012″ der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung OÖ.

Die allgemeine Wehrpflicht entstammt der Nationalstaatsidee des 19. Jahrhunderts und geht davon aus, dass die wehrfähigen Männer einer Nation als der „starke Teil des Volkskörpers“ das ganze Volk und Land gegen Feinde zu verteidigen haben.

Der Begriff „Verteidigung“ wurde in der Geschichte der Wehrpflicht sehr weit ausgedehnt – so weit etwa, dass die aufgrund allgemeiner Wehrpflicht geschaffene „Deutsche Wehrmacht“ des NS-Staates „Lebensraum für das deutsche Volk“ in Russland, Polen und anderswo zu erkämpfen suchte, was mit dem klassischen Verteidigungskrieg nichts zu tun hat.

Weniger Gewalt?

Es gibt keine historischen Belege dafür, dass Armeen mit allgemeiner Wehrpflicht „nur defensiv“ gekämpft hätten, in der Anwendung ihrer Gewalt „humanitärer“ gewesen wären oder insgesamt zurückhaltender gegenüber dem „Feind“ oder gegenüber Zivilpersonen agiert hätten.

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„Zivildienst genügt nicht als Begründung für Wehrpflicht“ – Bischofsvikar Werner Freistetter

Im Interview mit der Linzer Kirchenzeitung kritisiert Bischofsvikar Dr. Werner Freistetter das Fehlen einer Debatte über die militärische Landesverteidigung. Er leitet das „Institut für Religion und Frieden“ des Militärordinariates.

>> Das ganze Interview in der Kirchenzeitung lesen

Pax Christi: „Eine Chance, dass durch eine Volksbefragung die Abschaffung der Wehrpflicht Rückenwind bekommt ist da: im Jänner 2013“

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Ein Beitrag von Dr. Jussuf Windischer, Generalsekretär von Pax Christi Österreich.

Im Hinblick auf die bevorstehende Wehrpflicht – Volksbefragung weist Pax Christi Österreich auf seine gleichbleibende Vision und schon seit der Gründung bestehende Präferenz hin: nämlich die Abschaffung der Wehrpflicht.

Pax Christi hat die Vision einer Welt des Friedens und der Gewaltfreiheit. In der Nachfolge Jesu Christi, der die absolute Gewaltfreiheit lebte, bis zum Tod am Kreuz, wollen und können wir letztendlich nur eine Welt ohne Waffen, eine Welt ohne jegliche militärische Gewalt anstreben: eine Welt des Friedens in Gerechtigkeit und eine Welt, welche die Schöpfung bewahrt oder wenigstens zu retten versucht, was noch nicht gänzlich zerstört ist. Diese Vision bestimmt unseren Weg. Auf diesem Weg wollen wir aber auch konkrete politische Schritte setzen, welche uns der Vision näherbringen. Wir haben die vielen „wenn und aber“ überdacht, und wollen uns den politischen Entscheidungen stellen.

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Katholische Aktion Oberösterreich: „3. Möglichkeit zur Bundesheer-Abstimmung“

cropped-katholische-aktion-oeberoesterreich-startseite.gifPresseinformation der KA am 4. Dezember 2012. Statement von Bert Brandstetter, Präsident der KA OÖ, auf der Pressekonferenz des OÖ. Journalistenforums am 4.12.2012.

Weder-noch, sagt die Katholische Aktion (KA) Oberösterreich zu den beiden Fragen, die am 20. Jänner 2013 zur Entscheidung vorliegen. Zu vieles sei in die beiden Fragen verpackt, zu vieles sei miteinander vermischt, stellen die Delegierten aus den Teilorganisationen der offiziellen kirchlichen Laienorganisation nach eingehender Beratung mit Militär- und Sozialexperten übereinstimmend fest.

Fragen der sozialen Absicherung mit solchen der Landesverteidigung zu vermischen, jedoch auf eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik gar nicht einzugehen, sei demokratiepolitisch bedenklich, betont der Präsident der KA, Bert Brandstetter. „Wenn schon viele hohe militärische Funktionäre nicht wissen, wofür sie votieren sollen, wie sollen dann einfache Leute wissen, wo sie ihr Kreuzerl hinmachen sollen“, so Brandstetter.
Dennoch sei es wichtig, an der Volksbefragung teilzunehmen. Für Unentschlossene und Personen, die mit der in der Volksbefragung formulierten Auswahlmöglichkeit nicht einverstanden sind und dies zum Ausdruck bringen möchten, schlägt die KA eine dritte Option vor: „Hingehen, aber ungültig wählen“.

Nach Ansicht der KA dürfe das Ergebnis der Volksbefragung nicht als bindend angesehen werden, wenn sich nur ein geringer Prozentsatz der Wahlberechtigten daran beteiligt oder viele ungültige Stimmen abgegeben werden.

Blog und Diskussionsplattform der Katholischen Aktion OÖ zur Volksbefragung am 20.1. 2013:
https://volksbefragung.wordpress.com

Ohne Bereitschaft zu dienen und zur Ordnung gibt es keine persönliche Entwicklung

Ein Beitrag von Anton Faber, erschienen im Männermagazin Ypsilon der Katholischen Männerbewegung Österreich. In der gleichen Ausgabe ist auch der Beitrag Höchste Zeit für die männliche Emanzipation erschienen.

Eigenverantwortung, Bereitschaft zur Ordnung, zum Verzicht auf selbst bestimmte Zeit, die Notwendigkeit, seine Freiheit für andere einzusetzen, lernen viele junge Menschen erst in dieser Zeit kennen.

RespektDer Pflichtdienst ist ein Beitrag zur Entwicklung der eigenen Ernsthaftigkeit. Ich bin überzeugt, dass Österreich ohne Wehrpflicht und Zivildienst ärmer und sozial kälter werden würde. Pflichtdienst heißt Wechsel vom Empfänger in der Gesellschaft zum Geber für die Gesellschaft. Diese Dienste sind unverzichtbare Leistungen junger Staatsbürger und Ausgangspunkt für die Erkenntnis, diese für andere erbringen zu müssen. Dies ganz im Sinn der Forderung von Präsident John. F. Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern, was du für dein Land tun kannst.“

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Was sagt die katholische Kirche offiziell zum Militär?

Diese Frage lässt sich so eindeutig nicht beantworten. Die unterschiedlichen Stellungnahmen hier im Blog zeigen schon eine Bandbreite der Positionen auf. Es gibt sicherlich weitere, die wir hier sukzessive ergänzen werden.

Bedenkenswert ist jedenfalls, dass solche Einschätzungen immer zeitbedingt sind und sich auch die Bibel nur im jeweiligen Kontext lesen lässt. Letztlich ist es wohl eine persönliche Gewissensentscheidung, wie eine Christin, ein Christ mit der aktuell anstehenden Volksbefragung umgeht und mit welcher Entscheidung, sie/er am ehesten die Botschaft des Evangeliums der Menschenfreundlichkeit Gottes verwirklicht sieht.

Severin Renoldner hat in seinem Referat auf die KA-Konferenz am 30. November 2012 zwei interessante Hinweise auf die Position der Kirche gegeben:

Im Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich aus dem Jahr 2003 heisst es in Kapitel 6:
Die Kirchen fordern die Bundesregierung auf, den Einsatz für die zivile Versöhnungsarbeit zu verstärken. Der Friedensdienst soll als Projekt gemeinsam mit den Kirchen und anderen Nicht-Regierungsorganisationen entwickelt und international zur Verfügung gestellt werden.“ (Nr. 257)
Sie „fordern die Regierungen in Österreich, in der EU und weltweit auf, die Ausgaben für Rüstungsprojekte drastisch zu reduzieren.“ (Nr. 258)

Benedikt XV.Papst Benedikt XV., der auch als „Friedenspapst“ bezeichnet wird, schreib im Jahr 1917, mitten im 1. Weltkrieg, an den englischen Premier:
Der obligatorische Militärdienst ist seit mehr als einem Jahrhundert die wahre Ursache unzähliger Übel gewesen; seine gleichzeitige und gegenseitige Aufhebung wird das wirkliche Heilmittel sein.

„Wir wollen damit einen ‚dritten Weg‘ aufzeigen“ – BürgerInneninitiative zur Bundesheerabschaffung

Parlaments-Homepage

Der Internationale Versöhnungsbund und die ARGE für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit und Flüchtlingsbetreuung sammeln derzeit Unterschriften für eine BürgerInnenintiative an den Nationalrat.

Im Text für die Volksbefragung im Jänner 2013 ist nur die Alternative „Berufsheer oder Wehrpflicht“ vorgesehen. Mit dieser Petition wollen wir allen ÖsterreicherInnen die Möglichkeit geben, ihre Stimme für ein alternatives Konzept einer aktiven, gewaltfreien Friedenspolitik ohne Heer hörbar zu machen.
Wir wollen damit einen „dritten Weg“ aufzeigen, der in der parteipolitischen Diskussion nicht vorkommt, und die Frage, ob wir in Österreich überhaupt ein Bundesheer brauchen, in die öffentliche Diskussion einbringen.

Die Initiative kann direkt auf der Homepage des Parlaments unterstützt werden. Sie orientiert sich an der Stellungnahme Für eine aktive, gewaltfreie Friedenspolitik ohne Heer (PDF), die auch von den Österreichischen Friedensdiensten und der Überparteilichen Plattform gegen Atomgefahren & Zukunftswerkstatt Energie unterstützt wird.

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Die Politik pubertiert

Total unfair

Ein Beitrag von Reinhard Gratzer aus der Zeitschrift „Information-Diskussion 11/2012“ der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung OÖ.  

Die SPÖ ist – aus der Erfahrung des Bürgerkrieges in den 1930er-Jahren – traditionell gegen ein Berufsheer – jetzt plötzlich dafür. Die ÖVP, die bei der Einführung des Zivildienstes lange Jahre Zivildiener als „Drückeberger“ abgestempelt hat, eine „Gewissenskommission“ (die auch ich durchlaufen habe) eingeführt und den Zivildienst verlängert hat, kurz immer wieder den Zugang erschwert hat, ist plötzlich die Retterin des Zivildienstes. Franz Küberl, Präsident der Caritas sind 1.300,– Euro im Monat für einen Freiwilligendienst zu viel!? Drei Mal seltsam, seltsam, seltsam.

Politik kommt vom griechischen „polis“ – die Stadt bzw. die Gemeinschaft. Frei übersetzt: „Regeln, was uns alle betrifft“ – kirchlich gesprochen sehr eng verwandt mit der „communio“. In der derzeitigen politischen Debatte ist – wenn auch meist unbewusst – sehr deutlich zu spüren, dass die Demokratie in Österreich bestenfalls im Teenageralter ist. Anscheinend pubertiert die österreichische Demokratie gerade.

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