Karikierter Glücksfall

Bert Brandstetter

Eigentlich ist die Bundesheer-Debatte ein demokratischer Glücksfall. Endlich einmal ist uns Österreichern die Chance geboten, über ein Sachthema de facto abzustimmen. Und gleich bei dieser Premiere stehen Herr und Frau Österreicher vor einem riesigen Dilemma. SPÖ und ÖVP haben den Glücksfall zur Karikatur verkommen lassen.
Es ist die erste Volksbefragung, die Spitzen der Bundespolitik machen sie aber, sollten sie ihre Versprechen einhalten, zur Volksabstimmung, weil das Ergebnis als bindend erklärt wurde. Wir dürfen also abstimmen und werden seit wenigen Wochen mit Argumenten gejagt wie vor einer Wahl. Fast alle Roten kämpfen für das Berufsheer, fast alle Schwarzen für die Wehrpflicht. Die Argumente kennen wir inzwischen, aber selbst beim quotenreichen ORF-Bürgerforum wurden die Katzen der Details (Kosten, Reformziele, Rekrutierung, Sozialdienste) nicht aus dem Sack gelassen.
Die Medien üben sich großteils in Politikerschelte, wobei dem Leitartikel von Gerald Mandlbauer in den OÖN schon sehr viel abgewonnen werden kann (http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/leitartikel/Leitartikel;art11085,1042368).
Andere Blätter haben es leichter. Das Volksblatt der ÖVP hat keine Wahl als für die Wehrpflicht zu schreiben. Die Krone hätte freie Wahl, sie hat sich aber ebenfalls zur Kampagnisierung entschlossen und die SPÖ ins Schlepptau genommen.
Übrig bleibt der ratlose Bürger. Er soll über die Zukunft des Heeres abstimmen und je mehr er oder sie darüber nachdenkt, umso mehr wächst die Verunsicherung, wo das Kreuzerl hingesetzt werden soll.
Gewinnt das Berufsheer, ist die Sache, wenn auch mit unsicherem Ausgang für alle Zeiten entschieden. Gewinnt die Wehrpflicht, könnte es vielleicht irgendwann einmal eine zweite Chance geben: wenn sich herausstellt, dass das Heer in der bisherigen Form nicht reformierbar ist. Soweit meine Vermutung. Wehrpflicht also als das kleinere Risiko?
Zugleich lockt der Reiz des Neuen, der Reiz der freien Entscheidung junger Menschen, in ein Profiheer einzutreten oder auch nicht, ein freiwilliges soziales Jahr einzuschieben oder auch nicht. Aber werden das genügend Ambitionierte auch wirklich tun – oder brechen damit unser Heer und vor allem unser Sozialnetz völlig zusammen?
Also doch am 20. Jänner nur hingehen und ungültig wählen? Seine Stimme quasi in den Müll werfen? Für die Entscheidung zählen nur gültige Stimmen, und seien es bloß 30 Prozent der Stimmberechtigten.
Noch bleiben uns 7 Tage Bedenkzeit. Die Hoffnung auf das entscheidende und alles klärende Argument ist denkbar klein. Was bleibt, ist das Staunen über diese Art von Politik, die uns offensichtlich animieren soll, bei den nächsten Bundes-Wahlen dieselben Vertreter neuerlich mit unserem Vertrauen auszustatten…

2 Kommentare zu “Karikierter Glücksfall

  1. Adalbert Krims sagt:

    Danke für diesen Kommentar! Ich habe nur eine kleine Korrektur: nicht die KRONE hat sich entschlossen, „für die Position von Faymann zu schreiben“, sondern es war genau umgekehrt: die SPÖ-Führung hat vor 2 Jahren auf die Linie der KRONE umgeschwenkt, nachdem sie jahrzehntelang gegen ein Berufsheer war.

    Mir hat am Freitag abend eine Richterin gesagt, was sie am meisten bei dieser Volksbefragung stört, ist die Respektlosigkeit der Regierungsparteien gegenüber der Verfassung. Ob es einem passt oder nicht: die Wehrpflicht steht nun einmal in der Bundesverfassung – und eine Änderung erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Wenn sich nun BEIDE Regierungsparteien hinstellen und sagen: unabhängig davon, wieviele Menschen überhaupt zur Volksbefragung hingehen und unabhängig davon, wieviele für oder gegen die Wehrpflicht stimmen – wir verpflichten uns, das Ergebnis umzusetzen, so bedeutet das, dass eine kleine Minderheit von vielleicht 10 oder 15 Prozent der WählerInnen die Verfassung ändern können.

  2. nana sonet sagt:

    Ganz klar, die Regierungsparteien verweigern ihre Arbeit und der Souverän, der Trottel, macht gute Miene zu den Parteispielchen und kann NIX machen.

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