Video von der Diskussion „Neutralität oder EU-Heer? – Wehrpflicht oder Berufsheer?“

Diskussion

Am 9. Jänner fand in Linz eine Diskussionsveranstaltung mit Barbara Blaha (eh. ÖH-Vorsitzende, Sachbuchautorin), Herbert Tumpl (AK-Präsident), Obst. Dr. Erwin Seeauer (Präsident der Offiziersgesellschaft in Salzburg) und Boris Lechthaler (Solidar-Werkstatt Österreich) statt, die ich moderiert habe und zu der die Solidar-Werkstatt Österreich eingeladen hatte.

Intensiv und durchaus kontroversiell wurde über die beiden Abstimmungsoptionen Wehrpflicht und Berufsheer, aber auch die grundlegende sicherheitsheitspolitische Zukunft Österreichs diskutiert. Bemerkenswert ist, dass manche Fragen angesprochen wurden, die in massenmedialen Debatte zu kurz kommen wie das Thema der Auslandseinsätze und der ökonomische Kontext der Sicherheitspolitik.

Das Video  gibt es  online bei DORF-TV, dem Community-Fernsehen in Linz:

>>> Video Teil 1 und Video Teil 2

Karikierter Glücksfall

Bert Brandstetter

Eigentlich ist die Bundesheer-Debatte ein demokratischer Glücksfall. Endlich einmal ist uns Österreichern die Chance geboten, über ein Sachthema de facto abzustimmen. Und gleich bei dieser Premiere stehen Herr und Frau Österreicher vor einem riesigen Dilemma. SPÖ und ÖVP haben den Glücksfall zur Karikatur verkommen lassen.
Es ist die erste Volksbefragung, die Spitzen der Bundespolitik machen sie aber, sollten sie ihre Versprechen einhalten, zur Volksabstimmung, weil das Ergebnis als bindend erklärt wurde. Wir dürfen also abstimmen und werden seit wenigen Wochen mit Argumenten gejagt wie vor einer Wahl. Fast alle Roten kämpfen für das Berufsheer, fast alle Schwarzen für die Wehrpflicht. Die Argumente kennen wir inzwischen, aber selbst beim quotenreichen ORF-Bürgerforum wurden die Katzen der Details (Kosten, Reformziele, Rekrutierung, Sozialdienste) nicht aus dem Sack gelassen.
Die Medien üben sich großteils in Politikerschelte, wobei dem Leitartikel von Gerald Mandlbauer in den OÖN schon sehr viel abgewonnen werden kann (http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/leitartikel/Leitartikel;art11085,1042368).
Andere Blätter haben es leichter. Das Volksblatt der ÖVP hat keine Wahl als für die Wehrpflicht zu schreiben. Die Krone hätte freie Wahl, sie hat sich aber ebenfalls zur Kampagnisierung entschlossen und die SPÖ ins Schlepptau genommen.
Übrig bleibt der ratlose Bürger. Er soll über die Zukunft des Heeres abstimmen und je mehr er oder sie darüber nachdenkt, umso mehr wächst die Verunsicherung, wo das Kreuzerl hingesetzt werden soll.
Gewinnt das Berufsheer, ist die Sache, wenn auch mit unsicherem Ausgang für alle Zeiten entschieden. Gewinnt die Wehrpflicht, könnte es vielleicht irgendwann einmal eine zweite Chance geben: wenn sich herausstellt, dass das Heer in der bisherigen Form nicht reformierbar ist. Soweit meine Vermutung. Wehrpflicht also als das kleinere Risiko?
Zugleich lockt der Reiz des Neuen, der Reiz der freien Entscheidung junger Menschen, in ein Profiheer einzutreten oder auch nicht, ein freiwilliges soziales Jahr einzuschieben oder auch nicht. Aber werden das genügend Ambitionierte auch wirklich tun – oder brechen damit unser Heer und vor allem unser Sozialnetz völlig zusammen?
Also doch am 20. Jänner nur hingehen und ungültig wählen? Seine Stimme quasi in den Müll werfen? Für die Entscheidung zählen nur gültige Stimmen, und seien es bloß 30 Prozent der Stimmberechtigten.
Noch bleiben uns 7 Tage Bedenkzeit. Die Hoffnung auf das entscheidende und alles klärende Argument ist denkbar klein. Was bleibt, ist das Staunen über diese Art von Politik, die uns offensichtlich animieren soll, bei den nächsten Bundes-Wahlen dieselben Vertreter neuerlich mit unserem Vertrauen auszustatten…

„Am Ende bleibt die Verwirrung“ – Markus Pühringer

Markus Pühringer

Markus Pühringer, Vorstandsmitglied von Pax Christi Oberösterreich, hielt und hält einige Vorträge im Vorfeld der Volksbefragung in Pfarren [Übersicht]. In einem Gastbeitrag schildet er seine Eindrücke: 

Am 20. Jänner gibt’s erstmals in Österreich eine Volksbefragung. Das Volk scheint aber auch Tage vor der Befragung noch immer verwirrt zu sein.

Bei meinen Vorträgen zur Wehrpflicht, die ich in einigen Pfarren schon gehalten habe, wird diese Verwirrung spürbar. Die großen Parteien haben durch die Bank ihre Position schon mindestens einmal geändert. Waren vor ein paar Jahren noch ÖVP und FPÖ für ein Berufsheer und die SPÖ für die Wehrpflicht, so ist es jetzt genau umgekehrt. Das macht die Entscheidung nicht leichter.

Und weil es intellektuell so verwirrend ist, greifen viele Menschen auf ihre persönliche Erfahrung und auf ihre Emotion zurück: Die Männer, die ihren Grundwehrdienst in positiver Erinnerung haben, tendieren in aller Regel dazu, dass die Wehrpflicht bleiben soll. Umgekehrt sind jene, die ihre Zeit bei Heer oder Zivildienst abgesessen haben, zumeist dafür, dass dem verpflichtenden Dienst ein Ende bereitet werden soll. Frauen melden sich in den Diskussionen häufig zu Wort, wenn es um den Zivildienst geht: Weil die meisten mit den Zivildienern gute Erfahrungen gemacht haben, fürchten sie, dass soziale Errungenschaften gefährdet sein könnten, wenn der Zivildienst fällt. Außerdem ist ein zwangsweiser Dienst am Staat für viele schon gerechtfertigt, weil er als solidarischer Dienst wahrgenommen wird. Und da zählt es dann das intellektuelle Argument wenig, dass wir militärisch gar nicht mehr bedroht sind und es für den Zivildienst auch einen Ersatz geben würde. Mehr zählt da noch das Argument, dass man den eigenen Kindern oder Enkeln das Heer oder den Zivildienst ersparen könnte.

Die kritischen Geister in den Pfarren können sich schon auch vorstellen, dass das Heer überhaupt abgeschafft wird, weil es keine militärische Bedrohung mehr gibt. Aber diese Option steht ja nicht auf dem Stimmzettel der Volksbefragung. Diejenigen, die sich der christlichen Gewaltfreiheit verbunden fühlen, tendieren aber dann doch zur Abschaffung der Wehrpflicht, weil sie einen Fortschritt darin sehen, dass dann in Zukunft nicht mehr der Großteil der jungen Männer lernen muss, wie man Kriege führt, Waffen bedient und Gehorsam eingetrichtert bekommt. Das sei dann weniger schlimm als ein Berufsheer.

Am Ende bleibt die Verwirrung: Auch wenn man sich näher mit dem Thema auseinandersetzt, ist man zumeist nicht sehr viel klüger. Die Entscheidung wird dann vermutlich aus dem Bauch heraus getroffen.

Wehrpflicht für Frauen – warum nicht?

Christine Haiden, Chefredakteurin der Welt der Frau, schreibt in den OÖN über die Wehrpflicht für Frauen – eine Debatte, die der Verfassungsrechtler Heinz Mayer aufgebracht hat.

Natürlich kann man über Wehrpflicht oder Zivildienst für Frauen diskutieren. Dem sollten sich auch Frauen selbst stellen und nüchtern verhandeln. Meiner Meinung nach muss man dann etwa auch über eine verpflichtende Väterkarenz diskutieren, über Quoten für Frauen in Führungspositionen, über die Anhebung der Gehälter in Frauenberufen und über eine Art „Sozialkonto“ für alle, in das auch Teilzeitarbeit zugunsten von Familie und Pflege als eine Art öffentlicher Dienst eingerechnet wird.

>>> Den Artikel in den OÖN lesen

„Volksbefragung: keine Antworten auf falsche Fragen“ – Bert Brandstetter

Bert Brandstetter

Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ., schreibt in seinem Blog zur Volksbefragung.

In dieser Situation, in der nicht einmal Offiziere wissen, wie sie am 20. Jänner abstimmen sollen, ist also das Volk aufgerufen, seine Meinung abzugeben. Ich halte das für fahrlässig und unzumutbar.

>>> Den ganzen Beitrag in Blog von Bert Brandstetter lesen

Volksbefragungsstimme auch mit Protest gültig

Kreuzerl

Eine interessante Rechtsinformation findet sich beim Blog Bundesheer abschaffen: Alle, die mit den Fragen der Volksabstimmung unzufrieden sind, müssen nicht fürchten, dass die Stimme ungültig ist, wenn dabei Anmerkungen am Stimmzettel angebracht sind oder sich eine Beilage im Kuvert findet. Wahrgenommen wird so etwas aber wohl meistens nur bei den Mitgliedern der Wahlkommissionen, die von den politischen Parteien gestellt werden.

Foto: Flickr CC by-nd web.werkraum