Lehren aus der Volksbefragung

Bert Brandstetter

Halleluja. Wir haben geantwortet. Ein jeder zwar auf Fragen, die so eigentlich vielleicht gar nicht gestellt waren, aber immerhin: 50 Prozent der Wahlberechtigten, also viel mehr als vorhergesagt war, haben sich an der Volksbefragung beteiligt und jetzt wissen wir es, ebenfalls viel deutlicher als die Prognosen meinten: 60 : 40 für die Wehrpflicht. Wir wissen aber noch viel mehr:

die Alten haben für die Jungen abgestimmt
der Zivildienst hat die Wehrpflicht gerettet
sogar in SPÖ-Hochburgen hat die Wehrpflicht gewonnen
der Verteidigungsminister bleibt (trotzdem) im Amt
UND: die Kampagne von Krone, Heute und Österreich war nutzlos.

Vielleicht ist dieser letzte Punkt der Interessanteste: trotz des medialen Trommelfeuers haben sich die Wahlberechtigten nicht irritieren lassen. Noch mehr: sogar die eigenen Leser der kampagnisierenden Medien haben anders abgestimmt als ihnen „vorgeschrieben“ war. Wenn das kein Zeichen von Mündigkeit ist. Und wenn das kein Signal dafür ist, den Stellenwert von Medien, auch von weit verbreiteten Kleinformatigen, nicht zu überschätzen. Das könnte Österreich viel Geld sparen, weil weniger als bisher in offensichtlich wirkungslose Inserate gesteckt würde. Und Medien (Print und Elektronisch) sollen ebenfalls daraus lernen: sie sollen informieren und nicht kampagnisieren. Die Leute merken das und lassen sich nicht für blöd verkaufen.

Aber noch eine Lehre lässt sich aus der ersten bundesweiten Volksbefragung ziehen: mehr direkte Demokratie ist durchaus zu begrüßen, aber nur, wenn echte und klare Sachfragen gestellt werden. Solche bundesheerspezifische Fragen würden sich bereits heute, am Tag nach der Volksbefragung durchaus anbieten, etwa:

Soll die Wehrpflicht auch für Frauen gelten? Ja oder nein.
Soll der Grundwehrdienst wieder auf das Niveau des Zivildienstes verlängert werden? Ja oder nein.

Eines sollte nie mehr passieren: dass Sachfragen vorgeschützt, in Wahrheit aber parteipolitische Machtspiele ausgetragen werden. Die Gefahr, damit auf die Nase zu fallen, ist enorm, wie die SPÖ gestern bitter erfahren musste.

Karikierter Glücksfall

Bert Brandstetter

Eigentlich ist die Bundesheer-Debatte ein demokratischer Glücksfall. Endlich einmal ist uns Österreichern die Chance geboten, über ein Sachthema de facto abzustimmen. Und gleich bei dieser Premiere stehen Herr und Frau Österreicher vor einem riesigen Dilemma. SPÖ und ÖVP haben den Glücksfall zur Karikatur verkommen lassen.
Es ist die erste Volksbefragung, die Spitzen der Bundespolitik machen sie aber, sollten sie ihre Versprechen einhalten, zur Volksabstimmung, weil das Ergebnis als bindend erklärt wurde. Wir dürfen also abstimmen und werden seit wenigen Wochen mit Argumenten gejagt wie vor einer Wahl. Fast alle Roten kämpfen für das Berufsheer, fast alle Schwarzen für die Wehrpflicht. Die Argumente kennen wir inzwischen, aber selbst beim quotenreichen ORF-Bürgerforum wurden die Katzen der Details (Kosten, Reformziele, Rekrutierung, Sozialdienste) nicht aus dem Sack gelassen.
Die Medien üben sich großteils in Politikerschelte, wobei dem Leitartikel von Gerald Mandlbauer in den OÖN schon sehr viel abgewonnen werden kann (http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/leitartikel/Leitartikel;art11085,1042368).
Andere Blätter haben es leichter. Das Volksblatt der ÖVP hat keine Wahl als für die Wehrpflicht zu schreiben. Die Krone hätte freie Wahl, sie hat sich aber ebenfalls zur Kampagnisierung entschlossen und die SPÖ ins Schlepptau genommen.
Übrig bleibt der ratlose Bürger. Er soll über die Zukunft des Heeres abstimmen und je mehr er oder sie darüber nachdenkt, umso mehr wächst die Verunsicherung, wo das Kreuzerl hingesetzt werden soll.
Gewinnt das Berufsheer, ist die Sache, wenn auch mit unsicherem Ausgang für alle Zeiten entschieden. Gewinnt die Wehrpflicht, könnte es vielleicht irgendwann einmal eine zweite Chance geben: wenn sich herausstellt, dass das Heer in der bisherigen Form nicht reformierbar ist. Soweit meine Vermutung. Wehrpflicht also als das kleinere Risiko?
Zugleich lockt der Reiz des Neuen, der Reiz der freien Entscheidung junger Menschen, in ein Profiheer einzutreten oder auch nicht, ein freiwilliges soziales Jahr einzuschieben oder auch nicht. Aber werden das genügend Ambitionierte auch wirklich tun – oder brechen damit unser Heer und vor allem unser Sozialnetz völlig zusammen?
Also doch am 20. Jänner nur hingehen und ungültig wählen? Seine Stimme quasi in den Müll werfen? Für die Entscheidung zählen nur gültige Stimmen, und seien es bloß 30 Prozent der Stimmberechtigten.
Noch bleiben uns 7 Tage Bedenkzeit. Die Hoffnung auf das entscheidende und alles klärende Argument ist denkbar klein. Was bleibt, ist das Staunen über diese Art von Politik, die uns offensichtlich animieren soll, bei den nächsten Bundes-Wahlen dieselben Vertreter neuerlich mit unserem Vertrauen auszustatten…