Sozialstammtisch: Wehrpflicht Ja/Nein – oder ganz anders?

mensch&arbeit Disk.

[Bericht zuerst erschienen bei mensch & arbeit]

Diese Frage stellten sich die gut 50 TeilnehmerInnen am Offenen Sozialstammtisch im Cardijn Haus in Linz. Referent Harald Fartacek, Geschäftsführer des freiwilligen sozialen Jahrs, zeigte sehr klar und detailliert die Alternativen, die im Rahmen der Volksbefragung am 20.1. zur Entscheidung stehen, auf.

In der Diskussion zeigte sich dann, wie groß der Unmut über die mangelhafte Vorbereitung von Seiten der Bundesregierung ist. „Gibt es eine richtige Antwort auf die falsche Fragestellung?“ war schließlich die Frage, die im Raum stand.

„Schnell ändern sich politische Positionen“

Mit einer kurzen geschichtlichen Darstellung der politischen Debatte zur Wehrpflicht in Österreich begann Fartacek seinen Vortrag. Nachdem die beiden aktuellen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP quasi die Positionen getauscht haben kam Schwung in die Diskussion. Damit ist auch z.B. die Kirche gefordert, ihre Positionen wieder klar zu stellen und zu kommunizieren.
Bei der Diskussion der Vor und Nachteile der jeweiligen Modelle wurde sehr schnell klar, dass es zu einer haltbaren Beurteilung der Alternativen dringend die Debatte über die Aufgaben, die von einem Bundesheer erfüllt werden sollen, bräuchte. Diese Debatte wird jedoch von den Regierungsparteien weitgehend vermieden bzw. nicht klar genug geführt.
Intensiv und mit großem Interesse wurde die Diskussion rund um den Zivildienst, freiwilliges soziale Dienst und das bezahlt Sozialjahr, wie es BM Hundstorfer vorschlägt, geführt. Viele der TeilnehmerInnen dieses Sozialstammtisches sind im Sozialbereich engagiert und brachten daher Betroffenheiten und Erfahrungen ein.
Allseits wurde der Zivildienst und der Einsatz der Zivildiener als positiv empfunden. Seltsam jedoch – und das wurde auch vom Referenten angemerkt – dass in der Debatte um die Wehrpflicht der eigentliche Präsenzdienst und wie er von vielen erlebt wird gegen die Wehrpflicht spricht, der „Ersatzdienst“ Zivildienst jedoch angeführt wird, um die allgemeine Wehrpflicht zu stützen.

Die Vor- und Nachteile des bezahlten Sozialjahres

Als Chancen, die ein bezahltes Sozialjahr (1.386,- Euro brutto, ca. 8.000 Personen pro Jahr), böte nennt Fartacek u.a. dass es finanziell relativ attraktiv wäre, somit auch Menschen mit finanziellen Verpflichtungen (Kinder, Wohnung, Auto, etc.) möglich wäre, dass es eine Chance zur Berufsorientierung böte und dass es klar mache, dass Arbeit im Sozialbereich finanziell fair abgegolten gehört und generell besser bezahlt werden sollte. Schon jetzt sind Vollzeitanstellungen im Sozialbereich selten und die Bezahlung ist vergleichsweise schlecht. Das könne dazu führen, dass Menschen, die ohne Qualifikation ein Sozialjahr machen mehr verdienen als KollegInnen, die professionell qualifiziert sind, aber möglicherweise nicht nach ihren Fähigkeiten eingestuft sind oder unfreiwillig Teilzeit arbeiten müssen. Somit würde über kurz oder lang der Druck steigen, die Entlohnung im Sozialbereich zu verbessern.
Dem steht allerdings entgegen, dass derzeit nicht mehr Mittel für die Förderung des Sozialbereiches in Aussicht stehen.
Als weitere Kritikpunkte nennt Fartacek, dass ein bezahltes Sozialjahr Druck auf Ehrenamtliche bzw. Freiwilligenarbeit mache. Warum sollte ich mich freiwillig engagieren, wenn neben wir jemand mit weniger Erfahrung ein Jahr lang bezahltes Praktikum macht? Welche Formen der Förderung und Anerkennung für ehrenamtliche und freiwillige Tätigkeit gäbe es, die dieses Gefälle ausgleichen kann? Und es stelle sich wiederum die Frage, wo die Männer im Sozialbereich bleiben würden, wenn es keinen Zivildienst mehr gibt. Denn da Männer immer noch mehr verdienen als Frauen und generell eher Vollzeit arbeiten sind 1.382,- Euro brutto für sie ein schlechteres Angebot als für Frauen, die im Vergleich zu Männern vermehrt Teilzeit und in Niedriglohnbereichen arbeiten.

Eine wirkliche Alternative: Abschaffung des Bundesheeres und aktive Friedenspolitik

In der parlamentarischen Bürgerinitiative von Versöhungsbund und ARGE Wehrdienstverweigerung wird gefordert: die Abschaffung der Wehrpflicht, keine Einführung eines Berufsheeres, Maßnahmen zur aktive Friedenspolitik mit zivilen Mitteln, statt dem Zivildienst regulär bezahlte Arbeitsplätze im Sozialbereich und attraktive Freiwilligendienste sowie die Einrichtung einer Agentur für Zivil- und Katastrophenschutz.
Die Bürgerinitiative wurde mit den nötigen 500 Unterschriften beim Parlament übergeben und wird dort behandelt werden. Derzeit kann die Initiative noch o­nline über die Parlamentshomepage unterstützt werden.

Weiterführende links zur Information:
http://www.salzburg.gv.at/volksbefragung
http://www.bundesheer.at
http://www.einsatz-fuer-oesterreich.at
http://www.profiheer.at
http://www.personenkomiteeunserheer.at
https://volksbefragung.wordpress.com
http://www.wehrpflicht.diefakten.at

Wie geht es weiter?

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